Die Amerikaner
Die Amerikaner
Am Gründonnerstag (29. März 1945) schossen die Amerikaner einen Granathagel über Wernges hinweg in Jahns Wies (Taubengraben). Getroffen und zerstört wurde lediglich Keitsche Abe (Plumpsklo) und der Saustall.
Am Karfreitag kamen die Amis dann nach Wernges. Viele Werngeser hatten sich in den Kellern versteckt. Vorher wurden noch Uniformen, Parteiabzeichen, NS-Dokumente „entsorgt“ und Nahrungsmittel versteckt. Im Auftrag von Erwachsenen musste Erika noch schnell eine Pistole vergraben.
Diggeds Hans warf seine gesamte militärische Ausrüstung in einen alten Brunnen. Mit 16 hatte man ihn zur Wehrmacht geholt. Gut gewachsene Jugendliche wurden gegen Ende des Krieges „automatisch“ zur Waffen-SS eingezogen. Das traf auch auf Hans zu. Der 17-jährige Hans war auf dem Papier Angehöriger der Waffen-SS. Nach einer kurzen Ausbildung wartete er in Wernges auf seinen ersten für März vorgesehenen militärischen Einsatz in der Nähe von Prag. Aber vorher kamen die Amis.
Auf der Maarer Straße fuhren die fremden Soldaten nach Wernges. Bei Diggeds rechnete man mit dem Schlimmsten. Man fürchtete, dass Hans erschossen würde. Seine Mutter betete.
Lehrer Schnell war den heranrückenden Soldaten mit einem weißen Betttuch entgegen gegangen und hat so vielleicht ein größeres Unheil verhindert.
Fotos aus dieser Zeit gibt es nicht. Die Aufnahmen sind Fotomontagen.
Noch kurz davor war Wernges voller Wehrmachtsoldaten. Die hatten sich aber rechtzeitig in Richtung Knotenweg abgesetzt. Bei Braunes waren noch einige deutsche Soldaten. Die ergaben sich aber zum Glück für Wernges kampflos. Bei Gegenwehr hätten die Amerikaner - wie in Rixfeld - Wernges vermutlich beschossen.
Die Furcht vor den Amis erwies sich als übertrieben. Geplündert wurden hauptsächlich Hühnernester. Bredchesch Emmi erinnert sich noch gut daran, dass ein Ami sich seinen Stahlhelm in ihrem Hühnerstall mit Eiern füllte.
Diggeds Konrad (Vater von Hans) war auf dem Weg nach Jahns, als ein Jeep neben ihm hielt. Ein Soldat stieg aus und riss ihm die Taschenuhr von der Weste.
Binge Marie und Derre Mielche (Mutter von Helmut) wurden im Backhaus von einem Amerikaner aufgefordert ihm Eier zu besorgen. Marie sollte sie holen und Mielche musste als Geisel im Backhaus bleiben. Sie erzählte später: "Bis Marie mit den Eiern kam vergingen die längsten 20 Minuten meines Lebens."
Die Häuser wurden durchsucht. Waffen, Ferngläser und Fotoapparate mussten abgegeben werden. Schlimm für Lehrer Schnell, der sicherlich wertvolle Fotoapparate besaß. Förster Adolph war ohne Jagdgewehre, als er aus der Gefangenschaft heimkehrte.
Alle Wehrmachtangehörigen mussten sich bei den Amerikanern melden. Möllesch Andres meldete sich und kam in das gefürchtete Gefangenenlager nach Remagen. Diggeds Hans meldete sich nicht. Er entging so der Gefangenschaft, riskierte aber, dass er doch noch entdeckt oder verraten wurde, was gar nicht so selten vorkam.
Er wurde später zwar zusammen mit der gesamten Wernges Jugend (ca. 20 Jungen und Mädchen) auf dem Weg zur Rasehütt von den Amerikanern aufgegriffen, weil sie gegen das Versammlungsverbot verstoßen hatten. Mehr als 4 Personen durften nicht zusammenstehen. Bredchesch Elsbeth erinnert sich noch daran, dass sie und alle Mädchen nach Hause geschickt wurden. Die Jungen wurden verhört und dann zu ihren Eltern gebracht. Zum Glück für Hans konnten die Amerikaner sich wohl nicht vorstellen, dass einer der Jungen schon Soldat gewesen war.
Als man sich dann näher an die Amis herantraute, gab es doch einiges zu bestaunen. Das waren zunächst die schwarzen Soldaten. Die Werngeser kannten „Neger“ nur von Abbildungen. Man wunderte sich darüber, wie leise die Amis gingen. Die deutschen Soldaten und auch die Werngeser hatten eisenbeschlagene Ledersohlen an ihren Schuhen und Stiefeln. Auf Holz oder Stein hörte man jeden Schritt. Bei Militärparaden war das auch erwünscht. Die Amis hatten schon Gummisohlen.
Beeindruckend war auch ihr Überfluss an Nahrungsmitteln, Süßigkeiten und Zigaretten. Zu den Kindern waren die Amis freundlich und spendabel. Neben anderen Süßigkeiten habe ich auch zum ersten Mal Kaugummi kennengelernt.
Auffällig war auch der lockere Umgang der Amis untereinander und zu ihren Vorgesetzten. Für manche war es schwer zu verkraften, dass dieser „undisziplinierte Haufen“ jetzt als Sieger über die zackige Wehrmacht einmarschierte.
Aus Angst vor den Amis kam die Hebamme aus Maar auch in den nächsten Wochen nicht nach Wernges. Zur Geburt ihres zweiten Sohnes wurde Zimmesch Katherie von Wödds Hans mit der Schees (Chaise = zweisitzige Pferdekutsche) und aufgespanntem weißen Laken nach Maar gefahren. Dort kam Zimmesch Hans am 8. April zur Welt. Sein Vater war kurz vorher in Polen gefallen.
Fritze Erika wurde in dieser Zeit zum Brotholen nach Maar zur Bäckerei Mangold geschickt. Voller Angst machte sie sich mit einer Freundin auf den Weg. Am Märer Berg kam ihnen ein Jeep entgegen. Die Amis schickten sie zu den noch heute am Straßenrand stehenden Kiefern. Dort mussten die verängstigten Mädchen bleiben. Kurze Zeit später gab es eine gewaltige Explosion. In einem der beiden Sandsteinbrüche hatte man Munition der Wehrmacht gesprengt. Auf der Straße vor dem Steinbruch hätten sie diese Explosion nicht überlebt.
Nach Einmarsch der Amerikaner durften die Zwangsarbeiter drei Tage in Lauterbach die Geschäfte plündern. Ein Teil der Beute blieb in Wernges. Als ich einmal Egge Gertruds reichlich gefüllten Nähkorb bestaunte, sagte sie: „Das meiste hat mir unsere Fina geschenkt.“
Einige Polen, die den Werngeser Polizei- und Ortsdiener in schlechter Erinnerung hatten, waren auf der Suche nach ihm. Der flüchtete nach Bredchesch. Dort gelang es dem ehemaligen Zwangsarbeiter Theo Bojarin, die Polen davon abzuhalten, dem Ortsdiener etwas anzutun.
Theo ging nicht zurück in seine Heimat. Er arbeitete zunächst bei den Amerikanern und Bredchesch Emmi erinnert sich noch gut daran, dass er ihr eine Banane von seiner Verpflegung bei den Amis mitbrachte. Sie war wohl das erste Kind in Wernges, das wusste, wie eine Banane schmeckt. Sehr bald war Theo stolzer Besitzer eines Motorrads, mit dem er Emmi auch ein Stück spazieren fuhr. Emmi hat diese rasante Fahrt durch den nicht geteerten Saurasen bis zum Friedhof und zurück in keiner guten Erinnerung. Sie fürchtete ständig vom Sitz zu fliegen.
Theo heiratete eine deutsche Frau und wohnte bei Kures. Samstags schnitt er den Werngesern (auch mir) die Haare. Später zog er nach Westfalen.
Einige weitere Zwangsarbeiter, an die Erika sich noch erinnert: Wödds Schorsch (Franzose), Schomeiesch Felix (Franzose), Derre Domek (Russe), Sippels Josef (Russe), Sippels Irene (Sie kochte auch für die Zwangsarbeiter in der Baracke.), Sippels Marie – Schwester und Schwager waren mit ihrem Kind bei Stezes.
Auf Befehl der Amerikaner wurden aber alle bisherigen Bürgermeister vom neuen Landrat Mandt abgesetzt. Diggeds Hans, sein Vater und Bredchesch Heiche arbeiteten auf dem Acker, als Mandt in einem Jeep zu ihnen fuhr und den Werngeser Bürgermeister für abgesetzt erklärte. Dann fragte er Diggeds Konrad nach seinem Namen und sagte: "Herr Dickert, Sie sind jetzt Bürgermeister." Das lehnte der aber ab.
Fritze Hein, der zu den wenigen Werngesern gehörte, die 1933 nicht NSDAP gewählt hatten, wurde Bürgermeister. Kein leichtes Amt in dieser schwierigen Zeit. Mithilfe des abgesetzten Vorgängers versuchte er seine schwierigen Aufgaben zu erledigen.
Als eine Frau laut schreiend in seinem Büro immer wieder eine Holzlieferung verlangte, die ihr nicht zustand und einfach nicht zu beruhigen war, gab er ihr eine Ohrfeige. Das war seine letzte Amtshandlung. „Die Amerikaner dulden keinen Bürgermeister, der Frauen schlägt“, wurde ihm von Landrat Mandt mitgeteilt und damit war nach nur 4 Wochen seine Amtszeit beendet.
Der junge Schomeiesch Werner wurde neuer Bürgermeister und blieb es viele Jahre bis zur Eingemeindung mit Lauterbach.
Bredchesch Heiche
Fritze Hein
Schomeiesch Werner
An seiner Hochzeit war
er bereits Bürgermeister.
Als Henry Euler im Wald bei Lauterbach Elvis Presley traf
Lauterbacher Künstler begegnete dem „King" während eines Militärmanövers
LAUTERBACH (vn). Im LA stand damals nichts von diesem Ereignis, aber für den Lauterbacher Künstler Henry Euler war es eine der prägenden Erinnerungen aus seiner Jugend: Im November 1959 traf er Elvis Presley bei einem US-Militärmanöver bei Lauterbach.
Von Oktober 1958 bis März 1960 war der Sänger, der King of Rock'n'Roll, in den Friedberger "Ray Barracks" stationiert, um seinen Wehrdienst abzuleisten. Privat lebte er in dieser Zeit in Bad Nauheim. Bei Manövern waren US-Truppen auch im Vogelsberg unterwegs - und mit ihnen Elvis, der schon damals ein Star war. ...
Eine Schar Lauterbacher Jugendlicher, darunter Henry Euler (links), spürte Elvis Presley beim Manöver im Wald bei Lauterbach auf. Das Rockidol leistete in Deutschland seinen Wehrdienst ab.
Foto: privat
Mein Kumpel Willi hatte damals auch erfahren, dass Elvis ganz in der Nähe am Steinberg war und wollte, dass ich mitkomme. Ich hatte keine Lust und ging zum Mittagessen nach Hause. Schade! Wäre ich mitgegangen, dann gäbe es jetzt vielleicht auch ein Foto von mir und Elvis.
Immerhin - ein "Euler" ist auf dem Foto mit Elvis. Und außerdem ist der Henry ja auch fast ein Werngeser. Schließlich wohnte er später mit seiner Familie als unser Nachbar in der damaligen Gartenstraße in Wernges.
Wichtiger waren mir damals die Geschäfte, die wir Kinder mit den Amis machten. Ich schrieb mir die Bestellungen der Soldaten auf und kaufte dann bei Pedesch ein. Pedesch Emma nahm allerdings kein "Ami-Geld", deshalb musste ich vorher meine Mutter mit einiger Mühe dazu bringen, mir größere DM-Beträge vorzuschießen. Mit dem beladenen Fahrrad ging es dann zurück zu meinen Kunden. Die zahlten großzügig in Dollar. Nach "Saisonschluss" wurde bei der Lauterbacher Sparkasse sehr günstig 1 : 4 in Mark umgetauscht. Die Gewinnspanne war beträchtlich.
Wir Kinder freuten uns, wenn die Amis bei uns Manöver machten. Nicht nur wegen der Geschäfte. Die Amis waren ausgesprochen kinderfreundlich und großzügig. Kaugummi, Schokolade und Büchsen mit "exotischen" Speisen bekamen wir geschenkt oder fanden sie irgendwo im Gebüsch. Bei der Essensausgabe durften wir uns manchmal ans Ende der Reihe stellen und es gab dann Dinge, die wir noch nie gegessen hatten. Ich erinnere mich an meine erste Ananasscheibe.
Der etwa zehnjährige Königs Heinz ließ sich von einem GI das Gewehr geben, hängte es sich über die Schulter und rannte grinsend weg. Alle lachten, auch der waffenlose Soldat. Heinz kam natürlich zurück. Seine "Braut" einem Kind zu geben, das wäre in meiner Bundeswehrzeit undenkbar gewesen. Die Amis sahen das lockerer.
Nicht erfreulich waren die erheblichen Schäden an Straßen und Feldern, die bei den häufigen Manövern entstanden. Wenn die schweren Panzer an unserem Haus vorbeidonnerten, dann wackelten die Bilder an den Wänden und nachts war an Schlafen nicht zu denken.
Besonders gefährdet war Anneliese Eck. Die Panzer kamen nur mit Mühe um diese Hausecke und Anneliese Kädche hätte eigentlich um ihr Häuschen bangen müssen. Aber als einmal in einer Nacht eine Panzerkolonne an ihrem Haus vorbei durch Wernges donnerte und sicherlich die meisten Wergeser wach in ihren Betten lagen, da bemerkte sie davon nichts. Sie hatte fest geschlafen.