Trockenmühle&Dreiherrenstein
Die Trockenmühle
Die Trockenmühle war ein beliebtes Ziel für einen ausgiebigen Sonntagsspaziergang. Durch den Saurasen (Willofser Weg) ging es zum Knotenweg. Von dort bog man rechts zu den Reren (Röthern) ab. Das war früher ein romantisches Wiesental. Als Kind war ich dabei, wenn Fritzes, Keitsches und wir dort Heu machten.
Am Ende der Wiesen brauchte man nur noch einen Streifen mit hohen Fichten zu durchqueren und stand dann vor dem Jossatal (s. links) mit der Trockenmühle.
Elschen, Gustav und Heinrich
vor ihrer Haustür
Trockemüllesch Elsche kannte damals in Wernges jeder. Sie war oft hier und half z. B. beim Dreschen.
Im Bus von Schlitz über Willofs und Wernges nach Lauterbach oder zurück traf man sie mit Rucksack und Taschen beladen. Sie war sehr kontaktfreudig und suchte das Gespräch, was bei ihrem einsamen Leben im der Trockenmühle auch zu verstehen ist.
Schlitzer Bote vom 16.5.2001 (Auszug, mit freundl. Genehmigung)
Als man in der Trockenmühle noch bewirtet wurde
Willofs (gg). Nostalgie pur war es noch, als man Anfang der 50-er Jahre in der Trockenmühle bei Heinrich und Emmi Tripp und Gustav und Else Siebott an den Sommerwochenenden ein kühles Getränk vor ihrem Haus auf mehr oder weniger angenehmen Stühlen und Tischen gereicht bekam. Die Bewirtschaftung fand damals ausschließlich aus Flaschen wie auf unserem Bild zu sehen ist, vor dem Hause statt. Da die früheren Wirtsleute keine Gäste in das Haus hinein lassen wollten, weil damals schon einige Zimmer nicht mehr bewohnbar und der Rest des Hauses und der Einrichtung zu wünschen übrig ließ, regelte man dies so, dass man den Schäferhund im Flur vor der Haustür anband.
Im Vordergrund des Bildes sieht man fröhliche Gäste in gemütlicher Runde, in den Fenstern hängt noch das AFRI-COLA-Schild und auf der Treppe zu sehen sind die Wirtsleute Tripp. Im Hintergrund zu sehen ist die Scheune mit Hundehütte und dem so genannten „Donnerbalken".
Die „Trockenmühle" liegt Jossa abwärts zwischen Willofs und Udenhausen am Waldrand; ihr Name entstand daher, dass der Mühlgraben, der von der Jossa gespeist wurde, in den Sommermonaten wenig Wasser führte und austrocknete, wodurch sich das Mühlrad nicht mehr drehte und man die Mühle deshalb „Trockenmühle" nannte.
Beide Familien wirtschafteten am Rande der Existenz, sie hatten meist nicht mehr als zwei Kühe in ihrem Stall; auch den Umgang mit den finanziellen Dingen beherrschten sie nicht so, so dass sie einige Jahre, nachdem sie von ihrem Vater geerbt hatten, zahlungsunfähig und damit pleite waren. ...
Foto rechts: Prof. Dr. Adolf Habermehl
Heinrich und Emmi Tripp zogen nach Alsfeld, Gustav und Else hatten aber noch das Einsitzrecht Wohnhaus, in dem kein fließendes Wasser und auch kein Stromanschluss vorhanden war. Der Lebensstandard von Gustav und Else war mehr als spärlich, sie lebten von einer kleinen Kriegsrente und von der Fürsorge. Ein zusätzliches Brot verdienten sie sich im Herbst in Willofs, wenn die Dreschmaschine von Scheune zu Scheune zog. Auch wenn Feierlichkeiten im Dorf anstanden, wurden sie oftmals mit Essen versorgt, weil Else das so genannte Betteln konnte und die dazu immer richtigen Worte fand um über die Runden zu kommen. Das Verkaufen von Pilzen und Heidelbeeren sowie klein gehacktem und gebündeltem Kienholz erfolgte meistens in Lauterbach, aus ihrem Rucksack, von Tür zu Tür, an ihre Kunden. Da auch in der damaligen Zeit viele Manöver der US-Streitkräfte abgehalten wurden und die Straße über die Trockenmühle oft in schlechten Zustand geriet, machten sich Else und Gustav an die Arbeit, wenn sich ein Loch auftat, um es zu schließen. Oft konnte man sie spät abends oder früh morgens mit der Schubkarre und mit einer Petroleumlampe beim Wegebau antreffen, wenn man auf dem Heimweg von der Kirmes oder anderen Veranstaltungen aus dem Gründchen den Weg über die Trockenmühle nach Willofs durchfuhr.
Als damals das erste Postleitzahlenbuch herauskam und die Kirmesburschen feststellten, dass es noch ein Willofs im Allgäu gab, und sich beide Gemeinden um ein Zusammentreffen bemühten, waren es Gustav und Else, die sich als Abordnung als erste, ohne das Wissen der Willofser im Allgäu, sehen, begrüßen und bewirten ließen. Was uns Willofser damals sehr verärgerte, aber im späteren Verlauf der Freundschaft für viel Gesprächsstoff sorgte. Als Gustav in den 70-er Jahren verstarb, zog Else wieder zurück in den Frankfurter Raum, wo sie auch gebürtig herstammte. Sie soll danach bei einer wohlhabenden Familie im Haushalt gearbeitet haben; man hat sie danach nur noch ein- oder zweimal in Willofs gesehen, da trug sie einen Pelzmantel. Mit ihrem Fortzug enden auch die Anekdoten von „Trocke Gust und Trocke Els".
Die leerstehende Trockenmühle wurde 1973 bei einem Großbrand ein Raub der Flammen und die noch stehengebliebenen Außenmauern wurden vom späteren Eigentümer abgerissen. So muss man heute schon einmal genau hinsehen, wo der Platz war, wo die Trockenmühle im Jossa-Tal stand. ...
oben: Die Stallungen sind schon abgerissen.
links: Auf dieser Seite war ehemals das Mühlrad.
Die Trockenmühle verfällt und wird zur Ruine.
Förster Eckstein berichtet:
Die letzten Bewohner der Trockenmühle zwischen Willofs und Udenhausen, das Elschen von der Trockenmühle und ihr Ehemann Gustav Sieboth
Beide kamen nach dem Kriege aus Frankfurt a. M. zu Verwandten nach Willofs und wurden in die Trockenmühle einquartiert. Die Mühle lag an einem Waldrand an der Gemarkungsgrenze Willofs/Udenhausen, ohne Strom und fließendem Wasser.
Else und Gustav waren von kleiner Statur, Else, etwas stuchig, Gustav zäh, schlank und Kettenraucher. Die Zwei streiften oft kreuz und quer durch den Wald, um Holz und Waldfrüchte zu sammeln. Ebenso fühlten sie sich für die Gegend um die Mühle und allem was dort geschah voll verantwortlich.
Das bekam auch der neue Forstamtsleiter Schwarz zu spüren, der an einem schönen Herbsttag im Mühlberg auf Ansitz war. Elschen und Gustav hatten dessen Auto schon belagert, denn ihnen war das Kennzeichen und erst recht die Person von Forstmeister Schwarz total fremd. Else, die ein lockeres Mundwerk hatte, fing an den vermeintlich Fremden zur Rede zu stellen und ihn darauf hinzuweisen, dass er hier nichts zu suchen habe. Gustav im Hintergrund nickte bestätigend. Alle Beteuerungen halfen dem neuen Forstmeister nichts; Else blieb misstrauisch und versicherte ihm, dass sie Meldung am Forstamt in Grebenau machen wolle und dem Forstmeister von dem Geschehenen berichten werde. Ich denke doch, dass sich alles, für beide Seiten aufgeklärt hat.
Ich selbst, als Revierleiter von Udenhausen, habe mit dem Elschen auf eine andere Art Bekanntschaft gemacht.
... Eines Tages, im Spätherbst 1964, wir waren gerade in der Holzhauerei bei der Trockenmühle, kam in der Frühstückspause Else zu uns. Sie klagte ihr Leid über Gustav ihren Mann, der magenkrank war. Irgendwo hatte sie gehört, dass Sauerkraut ein heilendes Gemüse wäre und den Magen schonen würde.
In ihrer Frankfurter Muttersprache wandte sie sich an mich. "He, Föschte kenne Sie mich mit nach Grebenau nehme? Ich will beim Fink in Euleschdoff Weißkraut hole." Gesagt, getan beim Fink in der Sauerkrautfabrik bekam Else ihren Weißkohl, zwei große Jutesäcke voll. Ich hatte gerade mein Auto gewendet, und wollte wegfahren, kam Elschen ganz aufgelöst zu mir und fragte: "Wie krisch ich dann des Kraut uff die Trockemiehl?"
Da ich am nächsten Tage wieder zu den Waldarbeitern musste, habe ich ihr die Krautköpfe vom Fink aus auf die Trockenmühle mitgenommen.
Else bedankte sich überschwänglich und versicherte mir, wie gut das Kraut ihrem Gustav helfen würde zu gesunden.
Ich hatte sogar das Privileg, mit in die Wohnung gehen zu dürfen, eine finstere Räuberhöhle ersten Ranges. An meinem Gesichtsausdruck muss sie gemerkt haben, dass mir nicht ganz wohl war, denn sie erzählte plötzlich von ihrer Verwandtschaft in Frankfurt und sagte zu mir: "Hä Föschte, glaawe se mer nur net, des ich aus schlächte Verhälnisse kum, mein Brudä is nämlich Lehrä in Frankfot." Else hat in Erinnerung dieser Begebenheit noch oft eine Oster- oder Weihnachtskarte geschrieben. ...
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Dreiherrenstein
In der Nähe der ehemaligen Trockenmühle gibt es einen altenGrenzstein. Heute markiert er die Gemarkungsgrenzen der Großgemeinden Schlitz, Grebenau und Lauterbach.
Bild: Dreiherrenstein an der Trockenmühle
Der Stein hat die für Dreiherrensteine typische Dreiecksform. Oben am Stein ist die Nummer 37 zu erkennen. Sie gehört zu einer Reihe von Steinen, die an der Süd-Grenze der Gemarkung Udenhausen entlang steht; Nr. 37 (Dreieckstein) bis Nr. 48 (Grenzstein in der Nähe der Straße Wernges - Udenhausen).
Die Werngeser Seite zeigt F für Freiherren und R für Riedesel.
Die Udenhäuser Seite zeigt H für Hessen und D für Darmstadt.
Hier wird gefeiert
Alle drei Jahre wird am "Dreiländereck" zwischen den Gemarkungen Udenhausen, Wernges und Willofs mit den drei beteiligten Gemeinden ein Grenzfest durchzuführen.
links: Die Willofser Seite zeigt S für Schlitz und 1775 für das Datum der Grenzsteinsetzung.