Kirchengymnastik - Wernges

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Kirchengymnastik

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Kirchengymnastik
von Udo Döring

Ich kann mich noch gut an die Gottesdienste meiner Konfirmandenzeit erinnern.
Samstags mussten abwechselnd die Konfis für den Blumenschmuck auf dem Altar sorgen. Zwei Stunden vor Beginn des Gottesdienstes läutete es. So wusste man, wann Kerch ist.
Traf der Parr (Pfarrerinnen gab es damals noch nicht.) ein, läutete die kleine Glocke. Dieses Parrzeiche bedeutete: „Macht euch auf den Weg, der Pfarrer ist da.“

Die Werngeser Glocken
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Danach läuteten beide Glocken 10 Minuten den Gottesdienst ein. Jetzt hatte man am Beamtenviertel, Saurasen und Hohmeyer noch genug Zeit, den Gottesdienst rechtzeitig zu besuchen. War das Geläut beendet, wurde erst mit einem lauten Ruck die Tür geschlossen und mit einem kräftigen Ratsch der Vorhang zugezogen.
Dann setzte die Orgel mit ihrem Vorspiel ein. Danach wurde das erste Lied gesungen. Kurz vor Ende des letzten Verses kam der Pfarrer aus der Sakristei und wir Konfemande schnellten von unseren Bänken hoch. Nach dem Lied stand auch die Gemeinde auf. Der Pfarrer begrüßte die Gemeinde und begann mit der Liturgie. Die Konfemande und die Gemei standen die ganze Zeit. Der Pfarrer verschwand dann wieder in die Sakristei und das Lied vor der Predigt wurde gesungen.
Während des Liedes ging die Kirchdienerin (Meschrods Anna) an den Bänken vorbei und hielt jedem den schwarzen Samtbeutel am Stab (Klingelbiedel) vor die Nase. Man musste nicht viel reinwerfen, denn es konnte ja – anders als beim Ausgang - keiner die Gabe sehen. Die Küsterin musste sich beeilen, denn sie hatte nur wenige Verse (3 bis 4) zum Einsammeln zur Verfügung.
Beim letzten Vers verlief alles wie gehabt. Nur, dass der Pfarrer jetzt auf die Kanzel stieg. Wir beobachteten den Pfarrer durch die Scheiben der Sakristei und standen auf, wenn er zur Kanzeltreppe ging.
War das Lied zu Ende, stand auch die Gemeinde auf. Der Pfarrer verlas den Predigtext und danach durften wir uns auch setzen. Wir lauschten auf das Amen nach der Predigt, denn dann standen wir alle wieder auf, um die Schlussworte nach der Predigt im Stehen zu empfangen. (Ein späterer Pfarrer fragte dann mal die Gemeinde, warum sie schon wieder stehe.)
Danach setzten wir uns und sangen das nächste Lied. Der Pfarrer verschwand wieder in der Sakristei.

Abschluss:
de lezde Vesch - Parr kemmd - Konfemande hoch - Lied fäddich - Gemei hoch - Parr Vaddeunse - de Abkindigung  un de Säche
Ich fragte mich damals, woher er wusste, wann er passend mit den Glocken das Vaterunser betet oder die Glocken wussten, wann der Pfarrer anfängt. Später traute ich mich mal nach hinten zu gucken und habe gesehen, dass die Anna, unsere Kirchendienerin, heute sagt man Küsterin, die Glocken in Gang setzte. Nun gab es noch das kurze Schlusslied und dann durften wir dem Orgelnachspiel lauschend die Kirche verlassen.

Sitzordnung
In der Kirche gab es auch strenge Sitzordnungen. Wenn man reinkommt links in der ersten Reihe vor dem Altar saßen die Konfemande, hinter ihnen die Vorkonfirmanden. Dahinter konnten sich Zugezogene oder Besucher aus anderen Gemeinden niederlassen. Auf der anderen Seite, der Frauenseite, saßen die zuletzt konfirmierten Mädchen in der ersten Reihe.
Dem Alter nach gestaffelt folgten dahinter die Frauen. War die Frau verheiratet, ging es auch nach dem Heiratsjahr. Mit der Heirat kam es vor, dass die Frau eine Reihe vor oder zurück musste.
Die ältesten Frauen saßen in der letzten Reihe. Da brauchten sie nicht so weit zu laufen und die Predigten kannten sie schon alle.
Bei den Männern war es etwas einfacher. Es gab nicht so viele Bänke. Jugendliche und Ledige saßen in der hinteren Reihe auf der Seite nach Pedesch Schier. Vorne dann die Jungverheirateten und das Mittelalter.
Ab "Opaalter" saß man auf der Kirchenchorseite. Mich überraschte immer, woher die wussten, dass sie nun alt sind. Wenn einer von der vorderen Bank auf die andere Seite rückte, dachte ich dann: „Aha, er ist jetzt alt.“ Gut, dass nun alle Männer unten auf der Besucherseite sitzen dürfen, da bleibt man länger jung. Auf die Frauenseite trauen sich auch heute nur wenige.

Abendmahlordnung
Neben der Sitzordnung gab es auch eine Abendmahlordnung.
Es gab das Abendmahl für Ledige und Jungverheiratete, für das Mittelalter und für die Alten.
Um zu wissen, wann man dran war, musste man die Heiratsdaten aller im Kopf haben.
Waren Ehepartner im Alter 8 oder mehr Jahre auseinander, wurde die Zuordnung schon schwierig, zu jung für die Mittelalten, zu lange verheiratet für die Jungen, die einen meinten so die anderen so. Für Gesprächsstoff war gesorgt.
Den Kelch bekam man nicht in die Hände. Je nach Größe musste man sich bücken oder den Hals recken, sonst blieb der Mund trocken.

Kleiderordnung Abendmahl
Frauen: in Schwarz - auch Strümpfe und Schuhe
Männer: schwarzer Anzug, schwarzer Schlips, schwarze Schuhe und weißes Hemd
Udo Döring

Bei ihrem ersten Abenmahl mussten die Konfirmanden die obige Kleiderordnung einhalten, deshalb wurden sie zur Konfirmationsfeier entsprechend eingekleidet.

                  Werngeser Konfirmanden 1936                                               Maarer & Werngeser 1910

       Gaddewahls        Fritze           Klingels      Möllesch
       Konrad                Ännche        Anna           Otto
Konrad und Otto fielen 1942 im Krieg.

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