Konfirmandenzeit - Wernges

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Konfirmandenzeit

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Konfirmandenzeit
Mit dem 7. Schuljahr begann die Vorkonfirmandenzeit. Wenn ich mich recht erinnere, war das nach den Osterferien im Mai 1956. Zusammen mit meinen Mitkonfirmandinnen Elke und Inge fuhren wir auf der noch nicht ganz fertigen Teerstraße nach Maar.

In Wernges hatten wir noch eine Schotterstraße. Die Fahrt auf dem glatten Untergrund war ein ungewohntes Erlebnis. Mit voller Fahrt ging es durch Maar.
Wie es sich damals als Junge gehörte, fuhr ich an der Spitze und musste mich bei der Unterhaltung allerdings zu den Mädchen umdrehen. Das hatte böse Folgen. Die beiden sahen das Unheil schon voraus. Ihre Warnung kam allerdings zu spät.

Ich war zu weit nach links gekommen und fuhr ungebremst gegen ein dort abgestelltes Baufahrzeug.
Ich flog über das Lenkrad und landete unsanft auf Knien und Ellenbogen. Die recht ordentlichen Schürfwunden bemerkte ich allerdings erst später. Zunächst sah ich mit Schrecken, dass das Vorderrad bis zur Mittelstange gebogen war.

Ich schleppte das Fahrrad zur alten Schule und hatte dann meine erste Konfirmandenstunde im oberen Schulraum.
Es war eine schmerzensreiche Stunde. Am linken Knie war die Hose durchgeschürft und durch das Loch konnte ich beobachten, wie das Blut im kleinen Rinnsal Richtung Schienbein floss. Noch mehr quälte mich der Gedanke an das verbogene Fahrrad. Es gehörte eigentlich meinem Vater und war das einzige brauchbare Rad in der Familie. Mit ihm fuhr ich auch nach Lauterbach in die Schule.
links:
Alte Schule 1950 - noch mit Feuerlöschteich
Als Vorlage diente ein Foto aus "Maar in alten Aufnahmen".

Auf dem Heimweg musste ich das Rad tragen. Elke und Inge leisteten mir netterweise Gesellschaft und schoben ihre Räder.
Meinem Vater gelang es tatsächlich, die Radgabel halbwegs hinzubiegen. Ich konnte wieder fahren. Allerdings musste man den Lenker möglichst mit beiden Händen festhalte, da das Vorderrad einen starken Drang nach links hatte.
Zu meiner größten Freude bekam ich dann bald ein eigenes Fahrrad mit Dreigangschaltung. Die Freude wurde aber bald getrübt. Mein kleiner Bruder nutzte meine Abwesenheit, nahm sich mein Rad und zeigte seinen Freunden, wie schnell man mit einer Gangschaltung fahren kann.
Das geht am besten auf einer Teerstraße und bergab. Also fuhr man nach Maar und zum Erreichen eines Geschwindigkeitsrekords wurde die Hohl als Rennstrecke gewählt.
Mein Bruder war natürlich Sieger. Im dritten Gang die Hohl hinunter - niemand konnte mithalten. Mit der Kurventechnik gab es am Ende der Hohl allerdings ein Problem. Günter fuhr gegen einen großen Sandhaufen. Das Vorderrad wurde bis zur Mittelstange gebogen. Meinem Vater gelang es, … s. o.
Für jede Konfirmandenstunde musste etwas auswendig gelernt werden. Insgesamt waren es gefühlte 100 Lieder, Psalme, Sprüche, Artikel, ... Was mich  ärgerte war, dass unser Pfarrer selbst so gut wie nichts auswendig konnte. Beim Abfragen schaute er in das Gesangbuch. Blieb jemand stecken, so suchte er manchmal lange, bis er die Stelle gefunden hatte und weiterhelfen konnte. Wozu mussten wir solche Mengen auswendig lernen, wenn nicht einmal der Pfarrer den Text kannte?
Es gab einen Grund: Bei der Prüfung wurden die Texte abgefragt und da wollte sich niemand blamieren.

Zu den Pflichten der Konfirmanden gehörten der regelmäßige Kirchgang, das Läuten der Glocken zum und im Gottesdienst und das Aufpumpen des Blasebalgs der Orgel. Als Vorkonfirmand hatte ich zusammen mit Karlheinz die Glocken geläutet. Am schönsten war immer der Abschluss des Läutens. Wenn das Glockenseil unten war, sprangen wir noch ein Stück am Seil hoch und wurden dann vom Schwung der Glocken bis fast zur Decke gezogen.
links: So sah es aus, wenn die Glocken angehalten wurden.

Da man als Konfirmand jeden Sonntag in die Kirche musste, war ich froh, dass ich den Blasebalg treten durfte. Hinter der Orgel war man unbeobachtet.
Zu Beginn des Gottesdienstes wurde der Blasebalg durch Treten auf ein Holzpedal bis zum Anschlag gefüllt. Spielte die Orgel, so leerte sich der Balg allmählich und musste dann ab und zu nachgefüllt werden.
Einmal nahm ich den jüngeren Hans mit zum Bloasebolchdrade.

Hinter der Orgel war der Blasebalg.

Im Laufe der Jahre hatten meine Vorgänger viele Mitteilungen und Namen in die gekalkte Wand geritzt oder geschrieben. Das war für Hans ein umfangreiches Forschungsgebiet. Wir hatten gerade etwas Interessantes entdeckt, als die Orgel seltsam jaulte und ihren Geist aufgab. Der Blasebalg war nicht rechtzeitig nachgefüllt worden. In den nächsten Tagen ging ich Sippels Schosch – Organist und Nachbar – gezielt aus dem Weg.

Viel aufregender als die Konfirmation war natürlich die Prüfung. Sie muss im Februar gewesen sein. Meine Eltern, mein Bruder und ich gingen auf der vereisten Straße zur Maarer Kirche. Im Rahmen seiner Predigt kam jeder Prüfling dran und musste einen Text auswendig aufsagen. Welchen, das wussten wir leider nicht. Konnte jemand den Text nicht, so war das dann Dorfgespräch und peinlich für die ganze Familie.
Wir Werngeser machten unseren Eltern natürlich keine Schande.
Zur Konfirmation gab es Geschenke. Die meisten bekamen von ihren Paten eine Armbanduhr. Das war damals ein wertvoller Besitz.
Ich erhielt meine Uhr schon vor dem Kirchgang. Meine Mutter, die ihren Sohn während des Gottesdienstes natürlich ständig im Auge hatte, machte mir später Vorhaltungen, ich hätte mehrmals auf meine Uhr gesehen, sie sogar aufgezogen und zum Betrachten abgenommen.
Sehr begehrt waren auch die Geldgeschenke. Größere Beträge bekam man von Verwandten und guten Bekannten persönlich überreicht oder mit der Post in einem Brief zugeschickt. Bis zum späten Nachmittag brachten Kinder Glückwunschkarten von den Werngeser Familien. Die Briefumschläge wurden sofort auf ihren Inhalt untersucht. Auch sie enthielten neben den Glückwünschen manchmal einen kleinen Geldbetrag oder ein Taschentuch. Papiertaschentücher waren damals zumindest in Wernges noch unbekannt. Man war für eine größere Schnupfenepidemie gewappnet.   
In die Kirche musste man nun nach der Konfirmation sonntags nicht mehr gehen - nach ortsüblichem Gewohnheitsrecht durfte man aber in die Wirtschaft. Das wollte ich natürlich auch. Ich wusste aber, dass die etwas älteren Jugendlichen versuchen würden, mich betrunken zu machen. Das war so üblich und im vorausgegangenen Jahr war ihnen das mit meinem Vorgänger auch gelungen.

Ich war vorgewarnt. Mein erster Wirtshausgang verlief glimpflich. Ich passte auf, dass mir niemand Schnaps ins Bier kippte und hielt mich bei den Spendierangeboten zurück. Der ungewohnte Alkohol machte mir zwar zu schaffen, aber immerhin konnte ich ohne aufzufallen aufrecht nach Hause gehen. Ich hoffe, dass meine Erinnerung mich nicht trügt.

Sonntags trug man Anzug und Schlips - auch in der Wirtschaft.


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